Spanien im maurischen Gewand

Cordoba, Granada, Sevilla, Ronda – arabische Baukunst in Andalusien

Von Rosi Blaschke

Gafas heißt die Brille auf Spanisch. Der Begriff soll auf den arabischen Augenarzt und Gelehrten Mohammed al-Gafequi zurückgehen, der vor fast 800 Jahren in Cordoba, einer der bedeutendsten Städte Andalusiens, lehrte und sich der Augenheilkunde widmete. Wie Gafas sind übrigens mehrere tausend Wörter arabischen Ursprungs dem Spanischen erhalten geblieben. Und kommt uns in diesem Zusammenhang nicht auch das Wort »gaffen« bekannt vor? Dies mag als Beispiel dafür gelten, welchen Eindruck arabische Kultur und Wissenschaft in Europa, besonders in Spanien, hinterließen.

Klima großer Toleranz
Fast 800 Jahre maurische Herrschaft Andalusien im Süden Spaniens zwischen der Costa del Sol am Mittelmeer und der Sierra Morena, zwischen der Sierra Nevada und der Costa de la Luz am Atlantik geprägt. Phönizier, Griechen und Karthager, Römer, Wandalen und Westgoten wechselten sich in ihrer Herrschaft ab. Bis im Jahr 711 die Mauren, die von den Arabern islamisierten Berberstämme Nordafrikas, unter Tarik Ibn Ziyad große Teile des christlichen Spaniens besetzten. Im Kalifat von Cordoba unter den Omaijaden im 8. bis 11. Jahrhundert, im Königreich von Granada unter den Nasriden bis zum Jahr 1492 gedieh Andalusien zur Blüte, zu einem Hort der Wissenschaft, Kultur, vor allem der Baukunst, ja der Bädernutzung. Das Zusammenleben von Muslimen, Juden, Christen war von Tolernaz geprägt, »wovon man gegenwärtig nur noch träumen kann«, sagt die Reiseleiterin Renate Stratmann-Sieke de Guerado, die Jahrzehnte in Andalusien lebt.

Der Toleranz setzte die Reconquista, die Rückeroberung durch die Truppen des christlichen Spaniens, ein Ende. 1492 musste Boabdil, der letzte Nasridenkönig, die Herrschaft an das Katholische Königspaar Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón übergeben. Die Inquisition leistete ganze Arbeit. Die spanischen Juden, die Sephardim, und die Muslime mussten zum Christentum konvertieren oder das Land verlassen.

Geblieben bis auf den heutigen Tag aber sind die architektonischen Meisterleistungen der Mauren – Moscheen, Gärten, Innenhöfe (Patios), Bäder. Eines der schönsten Bauwerke ist die Mezquita, die Moschee von Cordoba, deren Grundstein im Jahr 785 gelegt wurde. Sie ist ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Dreimal vergrößert, umfasst sie fast 23 000 Quadratmeter. Faszinierend ist der Wald von 865 unterschiedlich großen Säulen mit Bögen aus weißem Kalkstein und roten Ziegeln. Oberlichtkuppeln erhellen die geheimnisvolle Düsternis. Der prächtigste Ort ist der Mihrab, die Gebetsnische, mit einer muschelförmigen Marmorkuppel. Sie bewirkte, dass die Stimme des Imam akustisch verstärkt wurde und die Gläubigen überall in dem riesigen Bau erreichte. Schriften aus dem Koran, kleine Platten aus Lapislazuli, Marmor, Granit und Alabaster, glasbeschichtetes Gold schmücken Säulen, Wände, den Eingang zum Mihrab.

Kathedrale in der Moschee


Dieses Wunderwerk muslimischer Baukunst wurde 1239 nach Rückeroberung Cordobas durch die Christen als Kirche geweiht. Mitten hinein in die Moschee ließ Bischof Alonso Manrique eine gewaltige Kathedrale bauen, der 63 Säulen weichen mussten, die lichtgebenden Arkaden machten Familienkapellen katholischer Adliger Platz. Um das Minarett herum entstand ein Glockenturm. Jahre später sagte Kaiser Karl V.: »Hier hat man etwas zerstört, was einzig auf der Welt war«.

Unweit der Moschee-Kathedrale erstreckt sich das ehemalige Jüdische Viertel mit gepflegten Patios und der 1315 erbauten, einzig erhalten gebliebenen Synagoge Cordobas. Gegenwärtig wird das Judenviertel restauriert – 2016 möchte Cordoba Kulturstadt werden. Doch im Viertel wohnen nur noch zwei jüdische Familien.

Schönheitskonkurrentin von Cordoba ist Granada. Hier gründete der Nasride Ibn AI Ahmar nach dem Fall Cordobas an die Katholiken im Jahre 1238 das gleichnamige Königreich. Wieder erblühten Kultur, Kunst, Wissenschaft. Die Alhambra, die rote Burg, und die Gartenanlagen des Generalife sind ihr schönstes Ergebnis. Höfe und Brunnen, Säle und Alkoven sind mit Säulen, Stuckornamenten, Gipsgittern, Fayencen, Keramiken und Holz geschmückt.

Im Löwenhof bilden 124 grazile Säulen einen Arkadenumgang, zwölf Marmorlöwen tragen den Brunnen. Der Thronsaal des Kalifen in einem Turm, in den niemand von außen hineinsehen konnte, der Kalif aber alles sah, ist überdacht von einer Zedernholzkuppel, aus 8017 Tafeln zusammengesetzt. Sternenbahnen symbolisieren die sieben Himmel des Islam. In die Wände sind Gedichte oder Zitate aus dem Koran gemeißelt oder geschnitzt und überziehen sie wie ein Spitzengewand. Die Bauten gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO.

Sehenswert auch die Gartenanlagen des Generalife mit der Sommerresidenz der Nasriden. Er repräsentiert die Gärten der islamischen Welt, deren Innenhöfe mit Obstbäumen, Blumen, Sträuchern bepflanzt und von Bogengängen umgeben sind. Farbige Fliesen, Teiche, Wasserspiele, Licht und Schatten bieten immer neue Sichten. Übermannshohe Hecken mit fensterartigen Öffnungen geben einem die Illusion, an grünen Häusern vorbeizugehen.

Auch die Badekultur brachten die Mauren nach Spanien. Es lohnt sich ein Abstecher nach Ronda, der kleinen wie ein Adlernest auf 750 Meter hohen Felsen thronenden weißen Kleinstadt, die schon 711 maurisch wurde. Hier in der Altstadt La Ciudad findet man die besterhaltenen arabischen Bäder der iberischen Halbinsel. Das Wasser floss durch ein Ziehbrunnensystem, das bis heute erhalten blieb. Genauso wie das »Kesselhaus«, in dem das Wasser erhitzt wurde. Die Gewölbe werden von reizvollen sternförmigen Lichtöffnungen durchbrochen. In den Bädern widmete man sich der Körperpflege, traf Freunde und nahm Erfrischungen zu sich. Als die Katholiken Andalusien zurückeroberten, wurden die Bäder als »Sündenpfuhle« zerstört oder geschlossen. In Ronda dienten sie als Gerberei.

Wahrzeichen Sevillas
Es ist ein Muss, auf den Spuren der Mauren auch Sevilla, der Hauptstadt Andalusiens, einen Besuch abzustatten, um die Kathedrale, die drittgrößte der Welt, zu sehen. Ihr 95 Meter hoher Glockenturm, die Giralda, Sevillas Wahrzeichen, wurde im 12. Jahrhundert als Minarett der Hauptmoschee gebaut. Auch der Alcasar, der Palast der arabischen Herrscher und nach der Reconquista Residenz der katholischen Könige, mit seinen Gartenanlagen zeugt von der maurischen Baukunst. Sehenswert sind auch die weißen Dörfer, deren Häuser – der Architektur der Araber verpflichtet – alle Jahre wieder im Mai weiß schmucklos angestrichen werden (um, wie man einst sagte, den Neid des Nachbarn nicht herauszufordern).

So haben die Muslime, die Mauren in Andalusien, allein mit ihrer Baukunst etwas geschaffen, das über alle Zeiten hinaus wirkt. Heute begegnet man in den Städten kaum noch Muslimen. Dagegen arbeiten viele als Gastarbeiter auf den Feldern bei der Olivenernte.

Infos: Spanisches Fremdenverkehrsamt, Kurfürstendamm 63, 10707 Berlin, Tel. (030) 882-65 43, Fax -66 61, www.spain.info
ND-Leserreisen, Ursula Pätzel, Irene Kohlmetz, Franz-Mehring-Platz 1, 10243 Berlin, Tel. (030) 2978 1620, -1621, www.neues-deutschland.de

GIS-Reisen, Gartenstr. 7, 53577 Neustadt/Wied, Tel. (02638) 94500, Fax -045020, www.gis-reisen.de

Literaturhinweis: ADAC-Reiseführer Andalusien, ISBN: 978 389 905 4248, www.adac.de, 143 S. 6,50 Euro
 quelle : http://www.neues-deutschland.de/artikel/126005.html

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