Das Wassergericht von Valencia

Das Wassergericht in Valencia (Tribunal de las Aguas de la Vega de Valencia) ist die älteste Rechtsinstitution Europas. Jeden Donnerstag tagen acht Richter um kurz vor zwölf Uhr vor dem Aposteltor der Kathedrale. Seit mehr als 1 000 Jahren sprechen sie das Recht aus, falls sich Unstimmigkeiten unter Grundbesitzern bei der Bewässerung ihrer Felder ergeben.
Die Bewässerung ist in Spanien in der Tat ein grosses Problem: Seit der Römerzeit ist die Bewässerung das Sorgenkind aller Verwaltungen, besonders im Süden. Unregelmässige Regenfälle und lang anhaltende Dürrezeiten weichen gelegentlich schweren Überschwemmungen. Grosse Flüsse, die weite Teile des Landes zuverlässig bewässern könnten, gibt es nicht.
Es ist geschichtlich belegt, dass das Wassergericht arabischen Ursprungs ist. Zum ersten Mal taucht diese Art der Rechtssprechung im Jahre 960 n. Chr. auf. Im Jahre 1238 befreit Don Jaime I. Von Aragonien die Stadt Valencia von der maurischen Herrschaft, das Wassergericht indessen behält er bei. Diese Entscheidung trägt ihre Früchte bis in die heutige Zeit hinein.
Die Entscheidungen des Wassergerichts waren entgültig und sind es auch heute noch, müssen also ohne Widerrede akzeptiert werden. Warum tagt das Tribunal vor der Kathedrale? Diese Tradition hängt ebenfalls mit der Geschichte Valencias zusammen.
Dort, wo heute die Kathedrale steht, befand sich einst eine Moschee. Als diese in iein christliches Gotteshaus umgewandelt wurde, durften Ungetaufte die Kathedrale nicht mehr betreten. Viele Mauren blieben allerdings auch nach der Reconquista in Spanien.
Deshalb beschloss man, die Gerichtsverhandlungen direkt vor der Kathedrale abzuhalten, um sowohl für Getaufte als auch für Ungetaufte Recht sprechen zu können. Auch der Donnerstag – der Tag, an dem die Richter regelmässig zusammen kommen – geht auf die Mauren zurück, da ihr Samstag auf den christlichen Donnerstag fällt.
Die Wasserverteilung in Valencia: Jeder Wässerungs-Berechtigte hat Recht auf so viel Wasser, wie sich aus der Fläche seines Besitzes ergibt. Das Gesetz sieht vor,dass das Anrecht auf Boden zum Wasser gehört.
Wer also einen Grundbesitz verkauft, veräussert damit die ihm zustehende Wassermenge. Die Bewässerung erfolgt aus acht Hauptkanälen. Das Land wiederum, das über das Netz der Nebenkanäle bewässert wird, untersteht einem Verband der Wässerungsberechtigten.
Der Verband verwaltet das Wasser aus dem Hauptkanal und bestimmt die Wasserverteilung unter den Landwirten.
Eine weitere Besonderheit des Wassergerichts: Kein Rechtsspruch wird schriftlich festgehalten. Ausserdem setzt das Gericht Strafmass und Entschädigung noch immer in valencianischen Pfund fest – einer Währung aus dem Mittelalter.

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