Das spanische Rechtssystem
Eine juristische Norm erfordert somit immer die Anwesenheit zweier Subjekte und ist nicht denkbar ohne diese Grundvoraussetzung. Um diese elementare Idee zu verdeutlichen nimmt man gerne Robinson Crusoe als Beispiel. Solange Robinson alleine auf der Insel ist, braucht er weder Regeln noch Gesetze. Doch mit dem erscheinen von Freitag kommt auch die Rechtsnorm zum Vorschein.
Der Inhalt der Rechtsnormen, d.h. die Kriterien nach denen eine Regulierung erfolgt, hängt von den Werten der Gesellschaft und dem sozialen Umfeld ab. Jede Gesellschaft hat ihre eigene Vorstellung wie bestimmte Probleme gelöst werden sollen oder welche rechtlichen Positionen die Beteiligten haben.
Das spanische Rechtssystem
Alle Rechtssysteme sind vom Zweck her für den sie geschaffen wurden gleich. Letzten Endes geht es immer um das Zusammenleben in Gemeinschaft und die dadurch nötige Organisation. Allerdings, bedingt durch soziale Faktoren, kann man verschiedene Systemformen unterscheiden.
Die europäischen Rechtssysteme hingegen sind, vom britischen einmal abgesehen, ähnlich in Aufbau und Prinzipien. Unzählige Gründe sind dafür verantwortlich, sowohl geschichtliche, juristische als auch geopolitische. Das geht vom römischen Privatrecht über die französische Revolution, bis hin zu einem vereinten Europa. In großen Zügen bildet Europa ja, zivilisatorisch gesehen, eine Einheit.
Geschichtlich und politisch gesehen ist dies deutlich erkennbar. Spanien wurde genau wie die anderen europäischen Länder von allen wichtigen politischen Ereignissen und Tendenzen beeinflusst. Die spanische Halbinsel entzog sich weder den Ideen der französischen Revolution und Gewaltenteilung, noch des Liberalismus und den liberalen Eigentumsvorstellungen oder wichtigen modernen Autoren wie Savigny, Jhering und Kelsen.
Seit 1978 ist Spanien nun wieder eine Demokratie und fester Bestandteil der Europäischen Union. Kernpunkt des spanischen Staates bildet die spanische Verfassung, die dem deutschen Grundgesetz teilweise ähnlich ist. Tatsache ist, das das deutsche Grundgesetz eine der vielen Grundlagen für die spanische Verfassung war. Das spanische Königreich ist heutzutage ein demokratischer Sozial- und Rechtsstaat mit Gewaltenteilung (Exekutive, Legislative, Judikative) und Parteiensystem.
Auf juristischer Ebene ist das nicht anders. Nehmen wir z.B. die europäischen Zivilgesetzbücher (BGB, Código Civil etc.) um dies zu veranschaulichen. Der Ausgangspunkt vieler heutiger Rechtsfiguren die wir kennen und benutzen, stammen aus dem römischen Recht der Antike. Bereits im alten Rom existierte eine so großartige abstrakte Rechtswissenschaft, das diese sich in den folgenden Jahrhunderten gehalten hat und immer als Referenz genommen wurde.
Man muss sich vor Augen führen, das die Zivilrechtswissenschaft sich bis Ende des 19. Jahrhunderts vor allen als Wissenschaft des römischen Rechts verstand. Begriffe und Rechtstechniken wurden fortgeführt und verfeinert. Dies erklärt viele Ähnlichkeiten.
Das gleiche gilt wenn man das Strafverfahren oder den Zivilprozess untersucht. Man findet in Spanien grundsätzlich die gleichen Verfahrensprinzipien wie in Deutschland (Rechtsquellen, Grundsatz des rechtlichen Gehörs, Offizialprinzip etc. im Strafverfahren und Verhandlungs- und Dispositionsmaxime im Zivilprozess).
Im Endeffekt sind unsere kontinentalen europäischen Rechtssysteme, bedingt durch viele gemeinsame Faktoren, also miteinander verwandt. Das will aber nicht bedeuten, das für dieselben Probleme auch identische Lösungen existieren. Jede Gesellschaft hat eigene Ansichten, Traditionen und Tendenzen in Bezug auf Rechtsnormen und Justiz. Und das ist der Kernpunkt: Obwohl die Grundlage also nicht sehr verschieden ist, unterscheidet sich das spanische Rechtssystem in bestimmten Details und Problemlösungen.
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Autor: RA Fernando A. Gascón Nasarra
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