Die Organe spanischer Kapitalgesellschaften: Struktur und Beschlussfassung


(Ein Leitfaden für die Praxis)

Spanische Kapitalgesellschaften sind nach dem monistischen System strukturiert, das heißt, ihre Verwaltung und Vertretung obliegen einem Organ. Ein dem deutschen Aufsichtsrat vergleichbares Kontrollorgan ist im spanischen Gesellschaftsrecht nicht vorgesehen. Eine Ausnahme gilt seit kurzem (November 2005) für in Spanien beheimatete europäische Aktiengesellschaften. Diese können für das dualistische System optieren. In diesem Falle tritt neben das Verwaltungsorgan (Dirección) der dem deutschen Aufsichtsrat vergleichbare Consejo de Control ( §§ 329 ff Ley de Sociedades Anónimas, L.S.A).

Die folgenden Ausführungen folgen dem monistischen Prinzip.

1. Das Vertretungsorgan

Es wird von der Hauptversammlung (im Fall der AG) bzw. Gesellschafterversammlung (GmbH) gewählt und vertritt die Gesellschaft umfassend gegenüber Dritten. Begrenzungen der Vertretungsmacht haben zwar interne Wirkung, sind gegenüber Dritten jedoch unwirksam.

Die Wahl des Vertretungsorgans erfolgt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Während bei der Aktiengesellschaft die Amtsdauer auf maximal 5 Jahre begrenzt ist (vgl. § 126.2 LSA, Wiederwahl ist allerdings unbegrenzt zulässig), können die Vertreter einer GmbH auf unbegrenzte Zeit gewählt werden (§ 60 Ley de Sociedades de Responsabilidad Limitada, LSRL).

Die Ernennung ist mit Amtsannahme durch den Ernannten wirksam (§ 58.4 LSRL, 125 LSA). Die Eintragung im Handelsregister (ein in Spanien bisweilen langer und  dornenreicher Weg) ist zwar notwendig, jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung.

Anders als im deutschen Recht können in Spanien auch juristische Personen dem Vertretungsorgan einer Kapitalgesellschaft angehören, eine Konstruktion auf die  häufig aus Respekt vor den strengen Organhaftungsregelungen des spanischen Aktien- und GmbH-Rechtes zurückgegriffen wird. In diesem Falle muss die juristische Person eine natürliche Person benennen, die sie im Verwaltungsorgan der betreffenden Gesellschaft vertritt.

2. Die Struktur des Vertretungsorgans

Die Vertretung kann einer Person ( administrador único) oder mehreren Personen anvertraut werden.

Wird sie mehreren Personen anvertraut, so können diese handeln als

alleinvertretungsberechtigte Verwalter (administradores solidarios)


 gesamtvertretungsberechtigte Verwalter (administradores mancomunados)


 Verwaltungsrat (Consejo de Adminstración)

In der Aktiengesellschaft sind maximal zwei gesamtvertretungsberechtigte Verwalter zulässig. Soll die Vertretung mehr als zwei Personen gemeinschaftlich anvertraut werden, agieren  diese als Verwaltungsrat (Consejo de Administración).

In der GmbH ist es theoretisch möglich, unbegrenzt viele gesamtvertretungsberechtigte Verwalter zu ernennen, wobei Gesamtvertretungsmacht (representación mancomunada) nicht bedeutet, dass alle ernannten Verwaltungsräte gemeinsam handeln müssen, sondern lediglich, dass einer nicht allein handeln kann. Die Satzung kann daher vorsehen, dass die Gesellschaft wirksam gemeinsam durch mindestens zwei Verwaltungsräte vertreten wird.

3. Der Verwaltungsrat (Consejo de Administración)

Es handelt sich um ein aus mindestens drei Mitgliedern bestehendes Kollegialorgan, dass im Wege der Beschlussfassung handelt. In der GmbH sind maximal zwölf Mitglieder zulässig. Für die Aktiengesellschaft ist eine solche Beschränkung nicht vorgesehen.

Beschlüsse sind auf Versammlungen zu fassen, die vom Vorsitzenden (Presidente) des Verwaltungsrates einzuberufen sind. Eine schriftliche Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist nur zulässig, wenn kein Mitglied des Verwaltungsrates widerspricht.

Für die Beschlussfassung ist die absolute Mehrheit der auf der Versammlung anwesenden Mitglieder erforderlich. Die Satzung kann für bestimmte Beschlüsse eine qualifizierte Mehrheit fordern.

Über die Beschlüsse ist ein Protokoll zu erstellen, dass in das Protokollbuch der Gesellschaft zu übertragen ist. Die Protokolle sind vom Vorsitzenden sowie vom Schriftführer (Secretario) des Verwaltungsrates zu unterzeichnen. Die auf einer Sitzung gefassten Beschlüsse dürfen erst nach Genehmigung des Protokolls ausgeführt werden. Wenn es sich um eintragungspflichtige Beschlüsse handelt, ist die Genehmigung des Protokolls Voraussetzung für die Eintragung im Handelsregister.

Es empfiehlt sich daher, das Protokoll direkt im Anschluss an die Sitzung  zu erstellen und genehmigen zu lassen.

Das Verfahren des Verwaltungsrates (Quorum, Ladungsfristen, Mehrheiten, etc.) sollte im einzelnen in der Satzung geregelt werden.

In jedem Fall sind mindestens zwei Ämter zu besetzen: das des Vorsitzenden (Presidente) und des Schriftführers (Secretario). Dem Vorsitzenden obliegen im wesentlichen die Einberufung des Verwaltungsrates und die Verhandlungsleitung, dem Schriftführer die Protokollführung.

Während Ersterer dem Verwaltungsrat angehören muss, kann zum Schriftführer auch ein außenstehender Dritter, in der Praxis meistens ein Rechtsanwalt, gewählt werden.

Die Bedeutung dieser Ämter sollte vor allem in potentiell konfliktträchtigen Gesellschaften nicht unterschätzt werden.

Da die Protokolle sowohl vom Schriftführer als auch vom Vorsitzenden zu unterzeichnen sind, ist ohne Mitwirkung dieser beiden Amtsinhaber de facto keine Beschlussfassung möglich. Vor allem ausländische Partner eines spanischen Unternehmens sollten daher dafür Sorge tragen, dass als Vorsitzender oder als Schriftführer  des Verwaltungsrates eine Person ihres Vertrauens bestellt wird.


4. Die optimale Vertretungsform

Welche Vertretung ist die Beste?


Administrador Único, Administrador Solidario, Administradores Mancomunados oder Consejo de Administración?

Beim Consejo de Administración handelt es sich um die bürokratisch aufwendigste und auch teuerste Form der Vertretung. Sie ist nur operativ, wenn den vor Ort in der Firma tätigen Personen ausreichende Handlungsvollmachten für die Abwicklung des Tagesgeschäftes gegeben werden.

 Das Gesetz erlaubt dem Consejo de Administración, seine Funktionen weitestgehend auf eines oder mehrerer seiner Mitglieder zu delegieren (sog. Consejero Delegado) oder außenstehenden Dritten beliebige Vollmachten zu erteilen. Sowohl Aufgabendelegation als auch Handlungsvollmachten müssen, anders als in Deutschland, im Handelsregister eingetragen werden. Gesetzlich standardisierte Vollmachten, wie etwa die deutsche Prokura, gibt es nicht.

In der Praxis beschränkt sich die Funktion des Consejo de Administración daher in der Regel auf die Kontrolle der operativen Geschäftsführung, die Verabschiedung des Jahresbudgets, die Vornahme von durch das Budget nicht abgedeckte Rechtsgeschäfte sowie die Aufstellung des Jahresabschlusses. Letztere Aufgabe ist zwingend dem Kollegialorgan vorbehalten. Sie kann nicht delegiert werden.

Der Consejo de Administración als Vertretungsorgan ist daher in der Regel nur anzuraten bei Unternehmen mit mehreren Partnern, von denen jedem Einfluss auf die Willensbildung des Unternehmens eingeräumt werden muss.

Bei hundertprozentigen Tochtergesellschaften kann ein Verwaltungsrat dann sinnvoll sein, wenn innerhalb des Mutterunternehmens mehrere Abteilungen in die Entscheidungsprozesse vor Ort verantwortlich eingebunden werden sollen.

Ansonsten dürften bei hundertprozentigen Tochtergesellschaften der Administrador Único oder, falls das „Vier-Augen-Prinzip“ umgesetzt werden soll, die Administradores Mancomunados angemessen sein.

5. Die Haupt- oder Gesellschafterversammlung

Beschlüsse der Gesellschafter  bzw. Aktionäre werden auf Hauptversammlungen gefasst. Eine Beschlussfassung außerhalb einer Haupt- oder Gesellschafterversammlung ist weder bei der GmbH noch bei der Aktiengesellschaft möglich.

Die Einberufung der Hauptversammlungen obliegt den Verwaltern. Diese sind auf Verlangen von 5% des Stamm- bzw. Aktienkapitals zur Einberufung verpflichtet.

Der Einberufung zur Haupt- bzw. Gesellschaftsversammlung ist im Amtsblatt des Handelsregisters sowie in der Tagespresse unter Einhaltung einer Ladungsfrist von einem Monat bei Aktiengesellschaften, bzw. 15 Tagen bei GmbHs zu veröffentlichen.

Eine persönliche Ladung der Gesellschafter ist gesetzlich weder bei der AG noch bei der GmbH vorgesehen.

Da gemeinhin weder das Amtsblatt des  spanischen Handelsregisters noch die lokale spanische Presse zur Tageslektüre deutscher Geschäftsführer oder Controller zu gehören pflegen, ist dringend anzuraten, in die Satzung Bestimmungen aufzunehmen, wonach im Ausland ansässige Gesellschafter persönlich per eingeschriebenem Brief, Telegramm oder ähnlicher Kommunikationsmittel  zu laden sind.

Dieses ist vor allem dann unerlässlich, wenn der ausländische Gesellschafter nicht im Verwaltungsorgan, das die Einladung vorzunehmen hat vertreten ist oder zwar vertreten ist, die Einberufung aber auch ohne seine Mitwirkung von anderen Mitgliedern des Verwaltungsorgans vorgenommen werden kann.

Bei der GmbH kann per Satzung gänzlich auf eine veröffentlichte Einberufung im Amtsblatt und der Tagespresse verzichtet werden. Bei der Aktiengesellschaft ist das nicht möglich.

Eine formelle Ladung ist nicht erforderlich, wenn sämtliche Gesellschafter   oder Aktionäre anwesend oder vertreten und mit der Abhaltung  einer Hauptversammlung einverstanden sind (sog. Junta Universal).

In Gesellschaften mit überschaubarem Mitgliederkreis und geringem Konfliktpotential wird aus Kostengründen zumeist von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.

Weit verbreitet, wenn auch nicht gesetzlich vorgesehen, ist die Beschlussfassung im Umlaufverfahren, dass heißt, es wird ein vorgefertigtes Protokoll einer fiktiven „Junta Universal“ den Beteiligten zur Unterschrift zugesandt.

Diese Praxis spart zwar Zeit und Reisekosten. Sie ist jedoch nur in konfliktfreien  Gesellschaften mit wenigen Gesellschaftern möglich (wo kein Kläger, da kein Richter).

In der GmbH erfolgt die Beschlussfassung durch einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, die jedoch mindestens ein Drittel der gesamten Stimmen ausmachen müssen.

Die Herauf – oder Herabsetzung des Stammkapitals sowie  alle sonstigen satzungsändernden  Beschlüsse bedürfen der absoluten Mehrheit aller vorhandenen Stimmen. Für bestimmte, besonders gravierend in die Struktur der Gesellschaft eingreifende Beschlüsse (Umwandlung, Verschmelzung, Spaltung, der Ausschluss von Gesellschaftern etc.) ist eine Mehrheit von zwei Dritteln aller Stimmen erforderlich.

In der Aktiengesellschaft ist grundsätzlich für die Beschlussfassung die einfache Mehrheit  der abgegebenen Stimmen erforderlich. Die Hauptversammlung ist jedoch nur beschlussfähig, wenn in erste Einberufung mindestens 25% des stimmberechtigten Aktienkapitals anwesend sind. In zweite Einberufung ist für die Beschlussfähigkeit kein Quorum erforderlich.

Für satzungsändernde Beschlüsse fordert das Aktiengesetz erhöhte Quoren. In erste Einberufung liegt eine Beschlussfähigkeit nur vor, wenn mindestens 50% des stimmberechtigten Kapitals  anwesend sind. In zweite Einberufung müssen mindestens 25% anwesend sein. Liegt die Anwesenheit bei unter 50% des stimmberechtigten Aktienkapitals so bedürfen satzungsändernde Beschlüsse einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden oder vertretenen Stimmen.

Als Grundregel gilt: In der Aktiengesellschaft ist für die absolute Herrschaft die Mehrheit der Aktien ausreichend, in der GmbH sind dafür mindestens zwei Drittel der Geschäftsanteile erforderlich.

6. Formalitäten der Beschlussfassung

Die von den Kollegialorganen spanischer Handelsgesellschaften, dass heisst vom Consejo de Administración sowie der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse sind gemäss § 97 der Handelsregisterverordnung (Reglamento del Registro Mercantil) in einem Protokoll festzuhalten. Dieses Protokoll ist in das amtliche Protokollbuch der Gesellschaft zu übertragen.

Jede spanische  Handelsgesellschaft ist zur Führung eines Protokollbuches verpflichtet. Dabei handelt es sich um ein fortlaufend nummeriertes Register, das vom zuständigen Handelsregister abzustempeln ist. Teilweise werden diese Register auch heute noch handschriftlich geführt. Die Handelsregisterverordnung enthält detaillierte Vorschriften über den notwendigen Inhalt dieser Protokolle. Die Komplexität dieser Regelungen sowie die Tatsache, dass die Führer der Handelsregister bei eintragungsfähigen Beschlüssen teilweise penibel über die Einhaltung dieser Formalitäten wachen, haben dazu geführt, dass bei vielen Firmen Rechtsanwälte die Rolle des Schriftführers ausüben.

Die Beschlüsse sind, soweit sie im Handelsregister eingetragen werden müssen, grundsätzlich notariell zu beurkunden.

Zuständig für die Veranlassung notariellen Beurkundung (sogenannte „elevación a público“) sind der Vorsitzende oder der Schriftführer des Verwaltungsrates, jeder alleinvertretungsberechtigte Verwalter sowie gesamtvertretungsberechtigte Verwalter in zur Vertretung berechtigender Anzahl. Sonstige Mitglieder des Verwaltungsrates oder außenstehende Dritte sind zur „elevación a público“ befugt, wenn sie dazu  ausdrücklich vom Vertretungsorgan der Gesellschaft bevollmächtigt sind. Bei außenstehenden Dritten hat diese Bevollmächtigung in notarieller Urkunde zu erfolgen.

Die notarielle Beurkundung erfolgt entweder auf der Grundlage des Sitzungsprotokolls oder einer vom Vorsitzenden und Schriftführer auszustellenden Bescheinigung (Certificación), in welcher die zur Beurkundung anstehenden Beschlüsse wiedergegeben werden.

Ausnahmsweise ist für die Registereintragung auch die Vorlage einer Beschlussbescheinigung mit notarieller Beurkundung der Unterschriften der zur Ausstellung der Bescheinigung berechtigten Personen ausreichend (z.B. Ernennung, und Abberufung von Verwaltern).

Um Missbräuchen oder Missverständnissen bei der Beschlussfassung  vorzubeugen ist vor allem ausländischen Teilhabern spanischer Unternehmen dringend anzuraten, entweder den Schriftführer  oder den Vorsitzenden des Verwaltungsrates zu stellen. Nur so ist eine genaue Kontrolle des Inhalts der gefassten Beschlüsse garantiert. Das damit verbundene Hin- und Herschicken von Protokollen und Bescheinigungen muss in Kauf genommen werden.

Manfred Wendland


Rechtsanwalt – Abogado



 


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