Spaniens Stromzähler – schlecht gewartet und Wucherpreise

Etwa 19 Millionen Stromzähler vermieten die spanischen Elektrizitätsgesellschaften an Haushalte und Betriebe. Geschätzte Einnahmen im vergangenen Jahr: über 180,3 Millionen Euro. Die Geräte ticken und drehen sich, aber für ihre Wartung tun die Gesellschaften nahezu nichts.

Derweil blüht, lange Zeit im „Dschungel“ verborgen, ein lukrativer Wirtschaftszweig, an dem ein Kartell von Zählerfabrikanten und Stromlieferer teilhat. Mit satten Gewinnen und hohen Schäden für die Endverbraucher. Spaniens oberster Gerichtshof, die „Audiencia Nacional“, ermittelte wegen möglichen Betrugs.

Nach einem Bericht der staatlichen Nationalen Energiekommission (CNE) waren Ende 2001 von den 19 Millionen vermieteten Stromzähler 7,4 Millionen älter als 15 Jahre und 3,1 Millionen unbekannten Alters. Sie sind noch nie gewartet worden, obwohl dies spätestens nach zehn Jahren unerlässlich ist. Noch schlimmer sieht es in Andalusien aus. Dort weiß man bei 3,1 von vier Millionen Zählern nicht mehr, ob sie noch richtig ticken. Und 900.000 davon haben das einem Stromzähler zugebilligte Lebensalter – 30 Jahre – weit überschritten.

Ein Ministerialerlass von 1984 hatte den Elektrizitätsgesellschaften erlaubt, den damals mickrigen Mietpreis von drei Peseten monatlich um mehr als 2000 Prozent zu erhöhen – auf 77 Peseten. Damit sollte eine Kostendeckung für die nötige Wartung und Erneuerung der Messgeräte zugestanden werden. Die Gesellschaften beschränken sich jedoch seitdem weiterhin aufs Kassieren. Wirtschaftsminister Francisco Alvarez Casoos hat ihnen nun mit Order vom 8. Mai 2002 eine letzte Frist von zwei Jahren gesetzt.

Stromproduzenten und Hersteller von Messeinrichtungen sind eng miteinander verflochten. So sitzen in den Aufsichtsräten der wichtigsten spanischen Fabrikanten – Siemens und Schlumberger – auch Führungskräfte von Iberdrola und Endesa. Die Zählerhersteller wiederum haben sich, bisher unbehelligt von der Kartellbehörde, zusammengeschlossen zu einer Vereinigung namens „Contact“. Dort vereinbaren sie in aller Ruhe Preise und Marktanteile. Das lukrative Resultat: der Preis eines Stromzählers beträgt heute für einen privaten Käufer etwa 90 Euro und ist damit, so die Nationale Energiekommission CNE, um mindestens 150 Prozent überhöht.

Wer quer schießt, fliegt vom Markt, wie zum Beispiel die Firma RIESA . Dort hatte man 1988 – so der ehemalige Firmenchef – den „Höflichkeitsbesuch“ eines Vertreters der Konkurrenzfirma METREGA und den freundlichen Rat erhalten, bitte die Preise zu erhöhen und die Marktanteile zu verringern.

Nachdem dies nicht geschah, bewegten sich die Aktien der Firma RIESA auf dem Kapitalmarkt in ungeklärter Weise zunächst nach Portugal und befanden sich dann plötzlich in Händen eines bekannten Großanbieters von Stromzählern. 1995 war die Firma RIESA endgültig „geschluckt“. Sie wurde aufgelöst und ihre 93 Mitaareiter entlassen. METREGA darf heute – möglicherweise zur Belohnung – unter den „Großen“ weiter mitmischen.

Die mit den Turbinen drehen offensichtlich mit am großen Rad. Einer, der dabei nicht mitspielen wollte, der Ingenieur Antionio Moreno Alfaro, wurde 1994 entlassen und hat dann im Jahre 2001 bei der Audiencia Nacional Betrugsanzeige erstattet. Er sagt zeugenschaftlich aus zum Bestehen des genannten „Contact“-Kartells und hat dem Gericht ein brisantes Dokument vorgelegt, unterschrieben von Gustave Eisenberg, Leiter der Nationalen Vereinigung der Hersteller von Elektroeinrichtungen (SERCOBE).

Hiernach sollen am 23. November 1995 Vertreter der Elektrizitätsgesellschaften und des Kartells zusammengekommen sein, und man soll Stillschweigen vereinbart haben hinsichtlich der Tatsache, dass die Mietpreise für Stromzähler um bis zu 50 Prozent überhöht seien.

Vier weitere Zeugen, die das Gericht einbestellt hat, präsentieren dort- ganz im Sinne der Branche – Blackouts und Kurzschlüsse. Felix Rivas, Vorsitzender der Vereinigung der Hersteller von Stromzählern, sagt aus, dass Eissenbergs Niederschrift kein offizielles Protokoll sei. Eisenberg sieht nunmehr sein Protokoll ebenfalls als private Notiz und will erst später gemerkt haben, dass er sich beim Aufschreiben total geirrt habe. Der Generaldirektor des Vereins der Stromproduzenten (UNESA) , Pedro Rivero, kann sich überhaupt nicht mehr erinnern, was damals besprochen wurde und weis auch nichts über Zählermieten. Fernando Alvarez Morales (Siemens) schließlich hatte zu jener Zeit so viele Termine, dass er sich gar nicht mehr erinnern kann, an dieser Besprechung überhaupt teilgenommen zu haben.

Autor: Alfred Pocher – Januar 2003-01-08

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