Das Licht im Schatten

Je heißer die Sonne im Süden brennt, desto mehr sehnen wir uns nach Erfrischung und Kühle. Diese findet man in Cafés, Chiringuitos (so nennt man die spanischen Strand-Bars), unter Palmen und Sonnenschirmen oder auf Balkonien. Allesamt haben diese Plätzchen eines gemein: Sie spenden Schatten! Natürlich kühlen Badevergnügen und Erfrischungsgetränke den überhitzten Körper auch ab, doch ohne Schatten sind wir der Hitze hilflos ausgeliefert.

Schatten in der Wissenschaft

Schatten ist heute nur ein Wort, das wir ab und zu gebrauchen. Genauer haben die meisten von uns es noch nicht beleuchtet. Dabei hat der Begriff des Öfteren Anlass zu tiefsinnigen Deutungen gegeben. Sowohl in der Astronomie, in der Physik als auch in der Psychologie. In den Naturwissenschaften wurden Schatten "gelesen". Dadurch konnten neue Erkenntnisse über die Welt gewonnen werden. Beispielsweise, dass sich Erde und Mond um die Sonne drehen. Anhand des Erdschattens bei einer Mondfinsternis konnte man herausfinden, dass die Erde rund ist. Psychologen haben sich ebenfalls diesem Thema gewidmet. Sie sprechen von der "Flucht vor dem eigenen Schatten" und meinen damit alle schlechten Gefühle und Erlebnisse, die sich oft schon in der Kindheit entwickelt haben.

Die Assoziation mit dem Negativen

Im derzeitigen Sprachgebrauch stellt der Schatten als Wort sowie Metapher eher etwas Negatives dar. Niemand möchte ein "Schattendasein" führen oder im "Schatten eines Anderen" stehen, im "Schattenkabinett" sitzen oder den "Schatten" begegnen. In der griechischen Mythologie sind das die "Seelen der Abgeschiedenen". Genauso wenig ist jemand begeistert "Schattenarbeit" zu verrichten oder einen "Schatten auf der Lunge" zu haben. Damit ist der Teer gemeint, der auf einem Röntgenbild zu erkennen sind.
Als "Buch der Schatten" bezeichnet man das Buch einer Hexe, in dem sie all ihr Wissen wie Zaubersprüche in Reimform, Heil- und Kräuterkunde, Zaubertränke und Rituale schriftlich aufbewahrt. Hier wird der Schattenbegriff wieder negativ ausgelegt, denn Hexen gehören der "dunklen Macht" an.

Ohne Schatten gibt es kein Licht

Wohin wir auch gehen, der dunkle Fleck ist unser ständiger Begleiter. Mal unsichtbar, mal sichtbar und mal fürchten wir uns vor ihm. Doch niemand "springt (gerne) über seinen eigenen Schatten". Dabei gibt es nämlich nichts Bedeutenderes zu überwinden als die eigene Angst.
In der Philosophie des Rosenkreuzes, eine Bewegung die im 17. Jahrhundert entstand, bekommt der Begriff endlich eine positive Bedeutung. Die Philosophie beruht auf uraltem Wissen und möchte religiöse Impulse unter den heutigen Lebensbedingungen verwirklichen. Der Schatten wird als befreite Energie gesehen und verweist (wie Psalm 121 in der Bibel: "Der Herr ist dein Schatten über deiner rechten Hand.") auf die Verbindung mit dem ursprünglichen Licht. Nur Energie und Licht zusammen können helfen und heilen. Damit kommen wir zu dem uns bekannten Schluss: Ohne Schatten gibt es kein Licht und umgekehrt. Menschen sowie Dinge sind somit erst mit ihrem Schatten komplett.
Wenn "die Schatten länger werden", heißt das, dass der Winter nicht mehr fern ist oder der Tag sich dem Ende zuneigt. Dann steht die Sonne tiefer am Himmel, ist nicht mehr so intensiv und die schwarzen Konturen auf der Erde verlieren sich. Wir können uns in dieser Zeit entspannt zurücklehnen und den nächsten Tag oder Sommer abwarten. Denn spätestens dann brauchen wir unseren "dunklen Freund" wieder und es heißt: Ab unter die Palmen!

Autorin: Saskia Wiegand

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