Frauen in Spanien „an der Macht“?

Der spanische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero hatte während des Wahlkampfes versprochen, genau so viele Frauen wie Männer in die Regierung aufzunehmen. Keiner rechnete mit dem Sieg des Sozialisten, um so überraschender ist nun, dass Zapatero sein Versprechen einlöste.
Die neue Regierung besteht aus jeweils acht Ministern und acht Ministerinnen. Mit der Juristin María Teresa Fernández de la Vega wird erstmals in Spaniens Geschichte eine Frau die Stellvertreterin des Regierungschefs.
De la Vega wird außerdem das Amt des Regierungschefs leiten. Damit hat sich die "Frauenquote" des Kabinetts im Land des Machismo der von Schweden angenähert, das bei dem Frauenanteil in der Regierung weltweit zu den führenden Staaten gehört.
Dabei herrschten bis vor dreißig Jahren unter Franco gerade in Spanien äußerst rückständige Verhältnisse, die spanischen Frauen besaßen kaum eigene Rechte und nahmen häufig nur die Rolle von Mutter und Hausfrau ein. Erst in den 80er Jahren wurde die Möglichkeit der Scheidung eingeführt, bis 1988 durften keine Frauen ins Parlament berufen werden.
Erst in den letzten Jahren kam ein Umdenken in der Politik dazu, der Konservative José María Aznar berief nach seiner Wahl 1996 zur allgemeinen Überraschung vier Frauen ins Kabinett. Nun unter der sozialistischen Regierung beträgt der Frauenanteil im Parlament 36 Prozent, mehr als je zuvor.
Allerdings kann diese Entwicklung nicht darüber hinweg täuschen, dass Frauen in Spanien weiterhin zahlreichen Problemen bei der Vereinbarung von Beruf und Familie ausgesetzt sind. Der Staat gewährt für Familien weniger Hilfen als die meisten anderen EU-Länder und das hat eine Doppelbelastung der Frauen zur Folge.
Auch die Benachteiligung bei den Löhnen ist wesentlich größer als in anderen EU-Staaten. 28 Prozent der Spanierinnen werden trotz gleicher Arbeit schlechter bezahlt als Männer. Dazu kommt eine steigende Frauenarbeitslosigkeit, die doppelt so hoch wie im EU-Durchschnitt ist. Offiziell sind in Spanien doppelt so viele Frauen arbeitslos wie Männer und leiden extrem unter befristeten Vertragsverhältnissen.
Selbst neben dem Arbeitsbereich sind spanische Frauen Problemen ausgesetzt, da sie unter der Gewalt von Männern zu leiden haben. Überspitzt kann man sagen, daß eine Frau in Spanien zwischen 16 und 44 Jahren mehr Angst vor ihrem Lebenspartner haben muss als vor Krebs. Todesursache Nummer eins in dieser weiblichen Altergruppe sind weder Krankheiten noch der Unfalltod auf der Straße, sondern die Gewalt der Machos!
Die Direktorin des Sekretariats für Gleichstellung der sozialistischen Partei PSOE, Micaela Navarro, arbeitet seit Monaten an der Ausarbeitung des "Integralen Gesetzes gegen die Geschlechtergewalt". Sie bekräftigt, dass es mit dem Schutz der Opfer und mit Strafen für die Täter nicht getan ist:
"Die Geschlechtergewalt wird nicht über das Strafrecht abgeschafft, denn die Wurzeln sind tiefer und liegen in einer Gesellschaft, welche die Frau dem Mann unterordnet." Deshalb soll die Erziehung zur Geschlechtergleichheit sogar Prüfungsfach in der Schule werden: "Es soll zum Respekt vor den fundamentalen Rechten und Freiheiten erzogen werden", kündigte Navarro an.
Es bleibt abzuwarten, ob die Sozialisten alle Vorstellungen umsetzen, sollte dies geschehen und dazu ein Umdenken in der Gesellschaft stattfinden, hätten Frauen in Spanien tatsächlich etwas gewonnen.

Julia Borck

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