Enteignung von Grundstücken in Küstennähe

Laut Küstengesetz hat der Staat das Recht, sich im Sinne des Gemeindewohl über Privatgrund einem Zugang zur Küste zu verschaffen. Das Küstengesetz ist zwar schon älter, doch dessen undurchsichtige Bestimmungen sind bis heute gültig. Befindet sich eine Immobilie direkt am Ufer, kann unter Umständen eine automatische Enteignung die Folge sein.

Spaniens Küstenlänge beträgt zusammen fast 8.000 km. Ein Drittel der spanischen Bevölkerung wohnt und arbeitet in unmittelbarer Küstennähe. Die Küstenregion ist somit für Spanien von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung.
Ausdruck dieser Bedeutung ist die enorme Bebauung der Küstenregion. Die Bebauung stellt eine tiefgreifende Belastung der Natur dar, und wurde durch den Massentourismus und den Erwerb von Immobilien durch Ausländer weiter beschleunigt.

Der sich aus der dieser Konstellation ergebende Interessenskonflikt zwischen Natur und Mensch hat sich im Laufe der Jahre immer weiter zugespitzt. Mit dem Küstengesetz aus dem Jahre 1988 (Ley de Costas) hat der Gesetzgeber einen Versuch unternommen, diese Interessenskonflikte zum Ausgleich zu bringen.

Obwohl das Ley de Costas bereits relativ lange gilt, herrscht gerade unter Deutschen bis heute Unsicherheit über seine konkreten Auswirkungen. Dieses liegt nicht zuletzt daran, dass das Gesetz zentrale Normen in den Bereich der Übergangsvorschriften verweist und damit sehr unübersichtlich ist.
Weiterhin bezieht sich das Gesetz in seiner Begrifflichkeit teilweise auf Vorgängergesetze, was die Komplexität weiter steigert. Es lohnt sich somit trotz des relativen Alters des Gesetzes einen näheren Blick auf die Materie zu werfen.

Das Ley de Costas, dessen weitgehende Verfassungsmäßigkeit durch ein Urteil des Tribunal Constitutional aus dem Jahre 1991 bestätigt worden ist, stellt der staatlichen Verwaltung verschiedene Regelungsinstrumente zur Zielerreichung zur Verfügung.

Kernstück des Gesetzes ist die Einteilung des Küstengebietes in verschiedene Zonen. Es handelt sich dabei um die Zone des öffentlichen Eigentums "zona de dominio-público marítimo-terrestre", die Schutzzone "servidumbre de protección" sowie die sogenannte Einflusszone "zona de Influencia" . Daneben können von staatlicher Seite weitere Dienstbarkeiten, sogenannte Servidumbres, durchgesetzt werden.

Das Gesetz teilt die Küste in verschiedene Zonen
Jede dieser Zonen wird charakterisiert durch ein bestimmtes Verhältnis von Rechten und Pflichten im Verhältnis Staat zu Grundeigentümer. Es ist dabei unmöglich, eine grundsätzliche und übergreifende Aussage zur Rechtslage in den einzelnen Zonen zu machen, da die Art der jeweiligen Belastungen von einer Vielzahl von Faktoren abhängt, wie etwa der baurechtlichen Deklarierung des Gebietes, der Art der Bebauung sowie der Frage, von wann ein etwaiger Bebauungsplan stammt. Weiterhin gibt es zu fast jeder Vorschrift eine Ausnahmeregelung.
Es sollen daher im folgenden nur grobe Leitlinien angesprochen werden.

Vorwegzunehmen ist, dass von einer grundsätzlichen Enteignung aller Grundstücke in Küstennähe, wie sie teilweise zu ungenau in der Presse dargestellt wurde, nicht die Rede sein kann.
Eine automatische Enteignung findet nur in der Zone des öffentlichen Eigentums statt. Zu dieser Zone gehört das Meeresufer ebenso wie die anliegenden Strand- und Geröllstreifen ebenso wie Marschland, Steilküste und weitere, vom Wasser umspülte Gebiete.
In dieser Zone liegendes Eigentum wurde tatsächlich durch das Gesetz enteignet. Die ehemaligen Eigentümer genießen jedoch ein Weiternutzungsrecht von bis zu 30 Jahren, welches um weitere 30 Jahre verlängert werden kann.

Ob ein Grundstück in dieser Zone liegt, wird durch Verwaltungsverfahren festgelegt, welche teilweise heute noch andauern oder zum Teil noch nicht einmal begonnen wurden. Innerhalb dieser Zone liegende Hafenanlagen und sonstigen gewerblichen Anlagen benötigen eine besondere Konzession.

Die zweite Zone, d.h. die Schutzzone, beginnt unmittelbar am Ende der Zone des öffentlichen Eigentums. Hierbei handelt es sich um einen mindestens 100 m breiten Schutzstreifen. Innerhalb dieses Streifens, der auch auf 200 m verbreitert werden kann, ist grundsätzlich keine Bebauung mehr zu Wohnzwecken möglich. Lediglich innerhalb von vor dem Jahre 1988 erlassenen Bebauungsplänen kann weiterhin gebaut werden. Also Vorsicht beim Kauf von Land in Küstennähe!

Im Rahmen eines Bebauungsplanes ist der genannte Schutzstreifen von 100 Meter auf 20 Meter reduziert. Innerhalb dieser ersten 20 Meter kann heute trotz Bebauungsplan ohne Ausnahmegenehmigung nicht mehr gebaut werden. Darüber hinaus kann der Staat zur Durchsetzung von Dienstbarkeiten an dieser Stelle zum Mittel der Enteignung oder zum Vorkaufsrecht greifen.

Eine derartige Dienstbarkeit stellt das Wegerecht an der Küste (Servidumbre de Transito) dar, welches grundsätzlich die ersten sechs bis 20 Meter vom Ende der Zone des öffentlichen Eigentums umfasst.
Diese Dienstbarkeit überlappt sich mit der vorgenannten Schutzzone. In dieser parallel zum Meer verlaufenden Zone müssen Fußgänger ohne Behinderung durch Bebauung am Meer passieren können.

Die sogenannte "servidumbre de acceso al mar", ein Zugangsrecht zum Meer, stellt eine weitere derartige Dienstbarkeit dar. Es handelt sich hierbei um ein tendenziell vertikal zum Meer verlaufendes öffentliches Zugangsrecht. Hiernach steht dem Staat das Recht zu, in bestimmten periodischen Abständen Zugang vom Landesinneren zur Küste herzustellen und dabei in Privateigentum einzugreifen. Der Gesetzgeber ließ sich hierbei von dem Gedanken lenken, allen Menschen Zugang zu verschaffen, etwa zu Freizeitzwecken.

Beim Haus an der Küste entscheidet jeder Meter
In der Einflusszone, die mindestens 500 Meter breit ist, müssen Flächen bereitgehalten werden um Parkplätze anlegen zu können. Weiterhin ist in dieser Zone besondere baurechtliche Disziplin einzuhalten, deren Ausmaß je nach Gemeinde variiert.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Frage der Bebaubarkeit und Nutzbarkeit von Land in Küstennähe stark vom Einzelfall abhängt. Wer sich bei seinem Grundstückskauf sicher sein möchte oder konkret die Bebauung eines bereits erworbenen Grundstückes ins Auge fasst, sollte sich gut beraten lassen. In jedem Fall hilft die Nachfrage bei den zuständigen Behörden weiter. Ferner kann man sich aber auch an die Bauabteilung der jeweiligen Gemeinde wenden.

Autoren: Frank Schöne-de la Nuez, Rechtsanwalt
             Christoph Pippel, Rechtsreferendar
             (Kanzlei Copp-Menth, Würzburg und Manacora/Mallorca)

google center mitte